Alfred Rosenberg diary

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11.8. [1936]
Aus dem Kirchenministerium kommt die Nachricht, dass Kerrl scheinbar resignieren soll in dem Sinne, die Kirchenausschüsse wieder aufzuheben. Ich habe diese Experiment entgegen manchen Aufgeregten, die glaubten bei mir Zuflucht suchen zu müssen, immer mit grösster Ruhe betrachtet. Kerrl, anfangs ohne jede Mitarbeiter, akzeptierte drei von mir benannte Persönlichkeiten. Später glaubte er einer anderen Richtung mehr Gehör schenken zu müssen, die Routine der alten Bürokratie und der Versuch, als Erfolg eine „organisatorische Ordnung“ vorzeigen zu können taten dann das ihrige. Hinzu kam, dass Kerrls fromme Reden nicht kluge Taktik einer Übergangszeit waren, sondern seine moralische Überzeugung darstellten. Das war und ist eine Gefahr, weil ein Nationalsozialist versucht, die Schritte nach vorn durch ein aufrichtiges Zurück wieder ungeschehen zu machen. Kerrls philosophische Anschauungen sind recht primitiv, seine religiösen stecken im Grunde in den Theorien der „Deutschen Christen“. Persönlich könnte ihm das unbenommen bleiben, amtlich aber hat er kein Recht, dies als Bekenntnis der Bewegung aufreden zu wollen. Diese Spiessbürgereien des Denkens sind vielleicht ganz gut als Geplänkel, da wir den Kampf gegen die Kirchen in absehbarer Zeit garnicht führen wollen. Staatlich ist zu tun, was lebensnotwenig ist, darüber hinaus festige ich auf Gautagen und bei wichtigen Anlässen die absolut konsequente Haltung. Die ganze gesunde Partei geht hier mit mir u. betrachtet das Kirchenministerium eben als das, was es ist, als ein notwendiges Übel, wobei die Über-

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zeugung von der Notwendigkeit ständig abnimmt. Die Partei im Lande wütend, weil die Kirchenausschüsse in den Gauen die entgegenkommenden Leute durch „Bekenntnistreue“ zu ersetzen bemüht ist. Das ist auch gut, wie denn alles, was auch geschieht, schliesslich in jenes Bett münden muss, das ich in erster Linie vorbereitet habe.
Kerrl liebt mich naturgemäss nicht. Politisch Nationalsozialist, sträubt er sich vor weltanschaulichen Konsequenzen und ist bemüht, den Führer für sich auszuspielen. Ich muss manchmal über diese grotesken Versuche lachen. Ein Fall ist hier charakteristisch. Am Abend des 29. März war ich in der Reichskanzlei, um an der Freude des Führers am Ausgang der Wahl teilzunehmen. Der Führer stand am Aufgang zu seiner Wohnung, um ihn eine Anzahl von Pgs. Der Führer begrüsste mich schon auf Entfernung lachend: „Nun, Rosenberg, was sagen Sie dazu! Habe ich nicht eine gute Wahlparole gefunden? Selbst die Bischöfe mussten der Stimmung am Rhein weichen und die Glocken läuten!“ Ich gratulierte. Der Führer fuhr lachend fort: „Aber das Resultat wäre nicht so gewesen, wenn wir über den ‚Mythus‘ abgestimmt hätten.“ Ich sagte: „Nein. Das wird man erst in 100 Jahren tun können.“ Darauf erkundigte sich der Führer über die Höhe der Auflage des „Mythus“: 470 000! Kurze Zeit [sic] höre ich, dass Kerrl mit spiessbürgerlicher Selbstzufriedenheit diese Episode so dargestellt hat, als sei ich „mit rotem Kopf“ dagestanden. Er habe dann später den Führer gefragt: „Habe ich Ihnen auch Sorgen ge-

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macht?“ Worauf der Führer ihm auf die Schulter geklopft hätte: „Nein, lieber Kerrl, Sie haben mir nie Sorgen bereitet.“ Worauf K. nun besonders stolz tat, wohl ohne zu begreifen, dass eben Menschen ohne eigene Gedanken u. feste Haltung nie „Sorgen“ machen.
Im übrigen verzichte ich bei Anhören solcher Dinge aus dem Froschteich Gebrauch von Äusserungen des Führers mir gegenüber zu machen. Ich weiss zwar sehr wohl, dass die Zeiten für mich noch nicht reif sind, aber manchmal ist es herbe, Menschen Dinge verwalten zu sehen, die ich geistig gestaltet habe. Ich sagte das einmal dem Führer, worauf er erwiderte: „Glauben Sie, dass es zufällig ist, wenn ich Sie auf dem Parteitag zwei Mal in grossen Reden herausstelle? Es ist mir schwer, Ihnen gerade dies zu sagen: aber wenn mich jemand nach Ihnen fragt, so sage ich, dass Sie der tiefste Kopf der Bewegung sind. Sie sind der Kirchenvater des Nationalsozialismus.“
Wenn Kerrl nun doch es fertig bringt, verschiedenen Leuten in seinem Ministerium zu erzählen, der Führer habe von meinem Werk erklärt, es sei Dreck u. Unsinn, so geht das über das hinaus, was man Herrn Kerrl an beschränkter Unbekümmertheit oder unbekümmerter Beschränkheit zubilligen kann. Gelegentlich werde ich das nötige klarstellen.

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