Hans Vogel diary

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Left Page [emphasis] DIE ABFARHT VON OLORON (1-10. Mai 41) [/emphasis] Wie Ihr wisst, versuchten wir immer mit allen Mitteln « raus zu kommen » und dieses war sehr schwer. Der arme Pappi musste einige Male für fast nichts nach Marseille fahren: einmal hat ein Affidavit gefehlt, dann die Steuer-quittung, aber schließlich hat es dem Herrn Consul doch genügt, und am 29. April hat Pappi für uns alle die Convocation bekommen. Ihr könnt Euch unsere Freude vorstellen wie das Telegramm angekommen ist, und wie der Pappi dann selbst zurück gekehrt ist; das war am 5. Mai, die Convocation war für den 14., and abfahren von Oloron mussten wir dann am 12. Bis dahin konnte ichs kaum erwarten; jedenfalls assen wir dann zu jeder Mahlzeit Salate aus dem

Right Page Garten und bedauerten die Erbsen, Karotten usw. (Bisher habe ich nur periodenweise erzählt, jetzt fängt das Tagebuch von Tag zu Tag an.) Samstag, 10. Mai « Heute ist der letzte Tag » sänge ich am liebsten, und ich kann es kaum aushalten, bis es 11 ½ U. läutet. Auf dem Heimweg treffe ich den Pappi, und wir gehen noch einmal zurück um dem Direcktor auf Wiedersehen zu sagen. Dieser bedauerte unser Wegfahren, da wir gute Schüler gewesen seien, usw. usf. Nachmittags sage ich den Kameraden Adieu, und nach der Schule bezahle ich meine Brotrechnung (weil die Schulkinder 50 gr. Brot nachmittags bekommen). Ich schlafe sehr unruhig und bin froh, als es Morgen ist.

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Left Page Sonntag, 11. Mai Wir stehen ziemlich früh auf, denn es gibt noch viel zu schaffen, und heute ist auch das Fest von Jeanne d’Arc. Wir defilieren mit den Scouts. Es ist schon überall geflaggt, und alles ist sehr schön. Nach dem Défilé gehen wir mit der Truppe wieder ins Local zurück; wir singen « la chanson des Adieux » zum Zeichen des Abschiedes und ich lasse die Fahne herrunter; danach nehmen wir Abschied von jedem, und dann geht’s heimwärts. Dieses war für uns beide freilich erschütternd. Nachmittags wird immer weiter gepackt und ich mache mein Vélo reisefertig; wir sind so fleissig, dass wir gar nicht merken dass es schon abend ist. Wir nehmen unsere Henkesmahlzeit und gehen voll Erwartungen für den nächsten Tag ins Bett.

Right Page Montag, 12. Mai Bis vier Uhr morgens haben die arme Mammi und die Ruth gepackt, während wir das Bett vorwärmten. Wir trinken gut Kaffee, weil zum Mittagessen keine Zeit sein wird... Ich mache noch Besorgungen, und inzwischen ist es Zeit, an die Bahn zu gehen, denn um 12 U. 10 fährt der Zug ab. Auf der Av. de Lasseube müssen wir an jeder Türe auf Wiedersehen sagen, so viel Leute kennen wir. Endlich sind wir am Bahnhof; der Zug hat grosse Verspätung; selbst der Spanisch-Lehrer ist da, um uns Adieu zu sagen. Dann zieht die Maschine an, und wir rollen, vielleicht zu letzten Mal, durch diese wirklich schöne Landschaft.... PAU! alles aussteigen. Unser Zug nach Toulouse fährt erst gegen 14 Uhr. So gehen wir ins Hôtel Beaumont, wo wir

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Left Page Bernheims sehn. Wir streifen durch die Stadt nach Conditoreien, aber es gibt nichts recht gescheites. Wir landen im « Royalty », wo wir Eis und Kuchen essen. Im Schlosse waren wir dies Mal nicht. Drawing DAS EIS Nach einer schönen Reise kommen wir abends gegen 9 Uhr in Toulouse an. Da wohnt ein sehr l guter Scout-Freund; der ist mit seiner ganzen Familie am Bahnhof; sie möchten auch auswandern. Wir unterhalten uns gut und wollen das nächtliche Toulouse besuchen, aber wir fallen auf den Rummelplatz, und dabei bleibt es. Gegen Mitternacht fährt der Zug, der schrecklich voll ist, ab. Ich kann nur wenig schlafen, ausserdem habe ich Hunger. IN MARSEILLE (13. Mai – 21. Juni 41)

Right Page Dienstag, 13. Mai Wärend ich versuche zu schlafen sind wir über Carcassonne, Narbonne und Sète schon fast bis Marseille gefahren, und gegen 8 Uhr kommen wir an. Der Anblick des gerade erwachten Marseille in der Morgenfrische ist sehr schön: vor uns liegt die grosse BahnhofsPOSTCARD -treppe, dann die ganze Stadt und ganz hinten sieht man die Kirche « notre-Dame de la Garde[»] . Wir gehen ins Splendide Hôtel. Das ist ein sehr schickes und grosses Hôtel, wo Pappi ein Zimmer mit Bad reservierte.

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Left Page Nach den Oloroner Verhältnissen war ist das ein sehr grosser Luxus. Am Im Stock über uns wohnt die deutsche Komission! Wie schon vorhergesagt, ist Marseille eine schöne Stadt, nur sehr laut. POSTCARD Ihr kennt sicher auch den Vieux-Port mit dem Pont Transbordeur, und das blaue Mittelmeer. Wir gingen sofort zu Doktor Rodoganagschi wegen der Atteste für

Right Page das amerikanische Consulat. Nachmittags gingen wir ans Consulat, welches lange nicht so schön ist wie das von Paris. Wir warteten den ganzen Nachmittag für nichts and gingen wieder ins Hotel. Mittwoch, 14. Mai Ich habe wunderbar geschlafen, und um 8 Uhr sind wir auf. Dann geht’s sofort an das American Consulate, wo wir den ganzen Vormittag für nichts verbringen. Am Ende des Nachmittag erst kommen wir drann. Wir machen die Finger-Prints und man sagt uns, am andern Tag wieder zu kommen. Heute vor 1 Jahr genau schrieben wir uns ein. Donnerstag, 15.Mai Um 9 Uhr treten wir wieder an und warten den ganzen Vormittag.

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Left Page Schrecklich, das ewige Warten; und mein Roman, den ich dabei lese, ist soo langweilig. Heute fährt auch das Schiff « Wyoming » ab, und der Onkel Hirsch fährt mit nach Cuba. Wir verabschieden uns mittags von ihm, und wieder gehts aufs Consulate. Heute ist Lag Beomer, und am Ende vom Nachmittag werden wir gerufen, um unser Application zu machen; die Frau versichert uns dass wir am nächsten Tag das Visum haben können... Freitag, 16. Mai Heute ist Pappi’s Geburtstag nach jüdischem Datum, und tatsäch-lich bekommen wir um 17 Uhr alle unsere Visums. Abends gehen wir in die Synagoge, und beten für uns, weil sie schon aus ist.

Right Page Samstag, 17. Mai Jetzt, da die Consulat-Geschichte für uns erledigt ist, kann ich von was anderem erzählen als vom Warten. Wir essen hier jeden Mittag im Restaurant und abends auf dem Zimmer. Im Hotel isst man auch sehr gut. Da war ein Restaurant, halb Koscher, wo man auch nicht schlecht isst. Aber nach dem 1. Mal mussten wir immer Bäine-Flesch (d. h. Bein-Fleisch) essen; das hat uns gar nicht geschmeckt, und seitdem essen wir oft beim Armänier, der ein kleines Local hat, aber sehr gutes Essen. An diesem Morgen gehen wir also in die Synagoge, und sehen Herrn Langer. Nachmittags gehe ich zum Oneg-Schabbath, der für die Scouts ist, und dann ist auch dieser Tag vorbei.

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